Die atmosphärische Trockenheit – eine unterschätzte Grösse im Klimawandel

In der Dis­kus­sion um die Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels liegt der Fokus heut­zu­tage auf der sich erhö­hen­den Tem­pe­ra­tur und auf Ände­run­gen im Nie­der­schlag. Für den Was­ser­haus­halt von Pflan­zen und einer Region ist aber eine wei­tere Grösse von zen­tra­ler Rolle, wel­cher sich viele nicht bewusst sind: Das Sät­ti­gungs­de­fi­zit der Luft an Was­ser­dampf (kurz VPD, Vapour-pres­sure defi­cit), wel­che die Trocken­heit der Atmo­sphäre beschreibt. Trocke­ner Boden erschwert oder ver­un­mög­licht die Was­ser­auf­nahme von Pflan­zen, atmo­sphä­ri­sche Trocken­heit ent­zieht der Vege­ta­tion und dem Boden Was­ser und trock­net diese somit wei­ter aus.

Ein häu­fi­ger Anblick im 2020: Die Blät­ter von Bäu­men ver­trock­ne­ten auf­grund von Hitze und Trockenheit

Luft kann nur eine gewisse Menge an Was­ser­dampf auf­neh­men – je näher der Was­ser­ge­halt der Luft an die­sem Grenz­wert ist, desto lang­sa­mer ver­dun­stet Was­ser aus dem Boden oder wird lang­sa­mer von Pflan­zen tran­spi­riert und wenn die­ser Grenz­wert erreicht wird, ver­dun­stet gar kein wei­te­res Was­ser. Wie viel Was­ser­dampf von der Luft auf­ge­nom­men wer­den kann, hängt dabei von ihrer Tem­pe­ra­tur ab und steigt expo­nen­ti­ell mit stei­gen­der Tem­pe­ra­tur an (Gra­fik 1, kann online z.B. hier berech­net werden).

Gra­fik 1: Maxi­ma­ler Was­ser­ge­halt in Gramm (= in Mil­li­li­ter) eines Kubik­me­ter Luft in Abhän­gig­keit der Temperatur. 

Steigt also die Luft­tem­pe­ra­tur an, kann diese wesent­lich mehr Was­ser auf­neh­men. Zwar ver­dun­stet bei einer höhe­ren Tem­pe­ra­tur auch mehr Was­ser, jedoch ist z.B. an Land die Menge an Was­ser begrenzt. Dadurch weist der Was­ser­ge­halt der Luft ten­den­zi­ell ein höhe­res Defi­zit auf, je höher die Tem­pe­ra­tur ansteigt. Die­ses Defi­zit ist die Dif­fe­renz zwi­schen des poten­ti­ell maxi­ma­len Was­ser­ge­halts der Luft und ihres tat­säch­li­chen Was­ser­ge­halts (Gra­fik 2 a und b) – in der Fach­spra­che spricht man vom Sät­ti­gungs­de­fi­zit der Luft, auf eng­lisch Vapour-pres­sure defi­cit oder kurz VPD (in kPa). Die­ser VPD kann als eine «Kraft» ver­stan­den wer­den, wel­che die Ver­dun­stung von Was­ser aus dem Boden und Gewäs­sern oder die Tran­spi­ra­tion (das «Schwit­zen) bei Pflan­zen vor­an­treibt. Als Faust­re­gel gilt, dass ein VPD von 1 kPa für Pflan­zen opti­mal ist – sie ver­dun­sten nicht zu viel Was­ser, aber genug, damit sie aus­rei­chend Nähr­stoffe zu den Blät­tern trans­por­tie­ren können.

Gra­fik 2 a und b: Dar­stel­lung des VPD bei sich erhö­hen­der Tem­pe­ra­tur aber gleich­blei­ben­der Luft­feuchte. Obere Linie: Maxi­ma­ler Was­ser­dampf­druck bei einer gege­be­nen Tem­pe­ra­tur, untere Linie der Was­ser­dampf­druck bei 20% Luft­feuchte bei einer bestimm­ten Tem­pe­ra­tur. Die Dif­fe­renz ist die Grösse des VPD – je grös­ser, desto stär­ker wird der Vege­ta­tion und dem Boden Feuch­tig­keit ent­zo­gen. Quelle: Gross­iord et al. 2020.

Gewisse Regio­nen haben auf­grund ihres Kli­mas auf natür­li­che Weise ganz unter­schied­li­che Vor­aus­set­zun­gen, wie gross der VPD sein kann. Wenn man sich die Gra­fi­ken 3 und 4 ansieht erkennt man, dass der VPD bei einer Tem­pe­ra­tur von 20 °C nur wenig höher als 2 kPa stei­gen kann und dass bei einer hohen rela­ti­ven Luft­feuch­tig­keit die Tem­pe­ra­tur sehr hoch wer­den muss, damit ein hoher VPD erreicht wird. Man kann sich also gut vor­stel­len, dass in rela­tiv küh­len und feuch­ten Regio­nen wie den Alpen, der fran­zö­si­schen Atlan­tik­kü­ste oder in Gross­bri­ta­nien die Luft nie sehr trocken wer­den kann. Die dort vor­kom­mende Vege­ta­tion ist an diese Bedin­gun­gen ange­passt, sie haben also mei­stens kei­nen spe­zi­el­len Schutz vor ver­stärk­ter Ver­dun­stung durch eine trockene Atmosphäre. 

Gra­fik 3: Ver­lauf des VPD bei einer kon­stan­ten Tem­pe­ra­tur und sich ändern­der rela­ti­ven Luftfeuchte
Gra­fik 4: Ver­lauf des VPD bei einer kon­stan­ten Luft­feuchte und sich ändern­der Temperatur

Steigt nun durch den Kli­ma­wan­del die Tem­pe­ra­tur stark an oder ver­rin­gert sich die rela­tive Luft­feuch­tig­keit durch gerin­gere Nie­der­schläge, wird die Luft auch viel trocke­ner und Pflan­zen ver­dun­sten mehr Was­ser (Gra­fik 5). Dadurch wird einer­seits dem Boden Was­ser ent­zo­gen, ande­rer­seits kön­nen Pflan­zen auch direk­ten Scha­den neh­men, wenn sie mehr ver­dun­sten, als das sie wie­der auf­neh­men kön­nen. Als Resul­tat fül­len sich ihre Leit­bah­nen, mit denen sie Was­ser und Nähr­stoffe zu den Blät­tern trans­por­tie­ren, mit Luft, wodurch die­ser Trans­port unter­bro­chen wird und die Pflan­zen begin­nen zu wel­ken. Dadurch kön­nen Pflan­zen abster­ben, obwohl der Boden eigent­lich noch genü­gend Was­ser ent­hal­ten würde.

Gra­fik 5 A bis D: Ände­rung des Sät­ti­gungs­de­fi­zits zwi­schen Blatt­in­ne­ren (100% rela­tive Luft­feuchte (RH)) und Luft bei einer Ver­rin­ge­rung der rela­ti­ven Luft­feuchte (A vs. B und C vs. D) und bei stei­gen­der Tem­pe­ra­tur (A vs. C und B vs. D).

Die atmo­sphä­ri­sche Trocken­heit gibt uns also wei­tere Infor­ma­tio­nen dar­über, wie stark Pflan­zen an Trocken­heit lei­den und ob gewisse Pflan­zen­ar­ten in einer Region in Zukunft noch über­le­ben kön­nen. Wie bei allen kli­ma­ti­schen Para­me­tern spielt hier­bei nicht die Mit­tel­werte son­dern die Extrem­werte eine ent­schei­dende Rolle. Ist z.B. die Was­ser­ver­sor­gung im Som­mer im Durch­schnitt zwar gege­ben, ver­trock­nen viele bei uns vor­kom­men­den Pflan­zen­ar­ten trotz­dem, wenn der Was­ser­ge­halt des Bodens auch nur für ein paar Tage unter einen gewis­sen Schwel­len­wert sinkt oder die Luft für eine län­gere Zeit im Som­mer den Pflan­zen zu viel Was­ser ent­zieht (Bild 1).

Bild 1: Grund­lage des Ver­trock­nen von Pflan­zen. Die Pflanze ver­dun­stet mehr Was­ser, als das sie aus dem Boden auf­neh­men kann. Dadurch ent­ste­hen in ihren Leit­bah­nen Gas­bla­sen, wel­che bei anhal­ten­der Trocken­heit mehr und mehr Leit­bah­nen fül­len kann, wodurch der Was­ser­trans­port immer mehr abnimmt. Ab einem gewis­sen Schwel­len­wert (Art­ab­hän­gig) ster­ben die Pflan­zen ab.

System Change not Climate Breakdown

Warum wir einen grund­le­gen­den Wan­del in unse­rem Wirt­schafts­sy­stem drin­gend brauchen

Das heu­tige Wirt­schafts­sy­stem ist ein auf end­lo­sem Wachs­tum und stei­gen­dem Res­sour­cen­ver­schleiss basie­ren­des Kon­strukt. In der Natur kom­men sol­che Systeme nor­ma­ler­weise nicht vor und wenn sie vor­kom­men, meist nur sehr kurz­fri­stig, wenn der Mensch ein System zum Bei­spiel durch einen über­mäs­si­gen Nähr­stoff­ein­trag stark ver­än­dert hat.

Als ein gutes Bei­spiel dafür kann man eine Bak­te­ri­en­kul­tur her­an­zie­hen. Hat man eine Mischung ver­schie­de­ner Arten mit unter­schied­li­chen Eigen­schaf­ten in einem Kul­tur­ge­fäss und stellt ihnen aus­ge­gli­chene Bedin­gun­gen zur Ver­fü­gung, kann diese Kul­tur lange über­le­ben. Erhöht man jedoch das Wachs­tum einer Art zum Bei­spiel durch die Zugabe von Zucker erheb­lich, ver­braucht diese alle Nähr­stoffe des Systems innert kür­ze­ster Zeit, es wer­den hohe Kon­zen­tra­tio­nen an gif­ti­gen Abfall­pro­duk­ten gebil­det und das System kol­la­biert. Ähn­lich ver­hält es sich bei sich stark aus­brei­ten­den Krank­hei­ten, die ihre Wirte töten – nach einer expo­nen­ti­el­len Aus­brei­tung bricht ab einem gewis­sen Punkt die Epi­de­mie zusam­men, da keine Wirte mehr vor­han­den sind.

Mir ist bewusst, dass dies sehr dra­sti­sche Ver­glei­che sind. Jedoch ist es auf­grund der Dring­lich­keit der heu­ti­gen Situa­tion unum­gäng­lich, denn genau so ver­hält sich das heu­tige Wirt­schafts­sy­stem auf der Welt. Schon heute taut der Per­ma­frost, wie es eigent­lich erst auf das Ende die­ses Jahr­hun­derts vor­aus­ge­sagt wurde. Rie­sige Wald­flä­chen bren­nen, sei es nun in der Ark­tis oder in den tro­pi­schen Regen­wäl­dern Afri­kas und Süd­ame­ri­kas.

In Europa ster­ben Mil­lio­nen Bäume auf­grund der Trocken­heit, die Bestände von Insek­ten und Vögeln befin­den sich in einem dra­ma­ti­schen Sink­flug. Heute sind 105’000 Arten auf der Roten Liste der IUCN, alleine 2019 kamen 7000 Arten neu dazu. In den kom­men­den Jahr­zehn­ten wird diese Liste wohl auf rund eine Mil­lion Arten anwach­sen, wenn wir nicht sofort etwas dage­gen tun.

Das grund­le­gende Pro­blem unse­res heu­ti­gen Wirt­schafts­sy­stems ist klar: Es basiert auf einem unend­li­chen Wachs­tum, bei dem Res­sour­cen plan­mäs­sig ver­schwen­det wer­den, eine Über­pro­duk­tion ein­kal­ku­liert ist und sich der Wohl­stand in den Hän­den eini­ger weni­ger anhäuft, wäh­rend­des­sen der Gross­teil der Bevöl­ke­rung schlecht dasteht und teil­weise um ein halb­wegs men­schen­wür­di­ges Leben kämp­fen muss.

Wie wider­wär­tig die­ses System ist, kön­nen wir gut am Bei­spiel der Rüstungs­in­du­strie sehen. Nur damit sich diese Kon­zerne wei­ter berei­chern kön­nen, expor­tie­ren sie aus der Schweiz Kriegs­ma­te­rial in die ganze Welt. Kriegs­ma­te­rial ist bekannt­lich nicht dazu da, Men­schen­le­ben zu schüt­zen und die Gesell­schaft wei­ter zu brin­gen – Kriegs­ma­te­rial tötet. Dies sollte allen klar sein und nie­mand sollte dies mit dem eige­nen Gewis­sen ver­ein­ba­ren kön­nen, aber unter der Dok­trin des Wirt­schafts­wachs­tums wird in Kauf genom­men, dass Men­schen abge­schlach­tet wer­den.

Dass wir gemein­sam die­ses System von Grund auf ändern müs­sen, liegt auf der Hand. Wir müs­sen schnellst­mög­lich davon abkom­men, dass wir in einer auf Wachs­tum und Aus­beu­tung basie­ren­den Gesell­schaft leben. Dafür müs­sen wir einer­seits den Han­del von Aktien, Roh­stof­fen und Nah­rungs­mit­teln in seine Schran­ken wei­sen oder unter Umstän­den gleich ganz ver­bie­ten. Denn der Akti­en­kurs ist heut­zu­tage an das ste­tige Wachs­tum einer Firma gekop­pelt und eine Firma ver­liert gleich an Wert, wenn diese auch nur weni­ger wächst als pro­gno­sti­ziert.

Die Wirt­schaft wird des­we­gen durch kurz­sich­tige Restruk­tu­rie­rungs- und Aus­la­ge­rungs­stra­te­gien geprägt, durch die es immer häu­fi­ger zu Mas­sen­kün­di­gun­gen und der Ver­la­ge­rung von festen hin zu tem­po­rä­ren Arbeits­stel­len kommt. Dies alles nur, damit Grossaktionär*innen hohe Divi­den­den­aus­schüt­tun­gen und das Manage­ment exor­bi­tante Boni ein­kas­sie­ren kön­nen.

Der Gross­teil der Bevöl­ke­rung lei­det dar­un­ter und die gna­den­lose Aus­beu­tung der natür­li­chen Res­sour­cen schrei­tet im Eil­tempo voran. Zeit­gleich wer­den an den Bör­sen Grund­nah­rungs­mit­tel gehan­delt, wodurch deren Preise der­art stei­gen, dass sich viele Men­schen auf der Welt diese nicht mehr lei­sten kön­nen und akut an Unter­ernäh­rung lei­den. Diese neo­li­be­rale Wirt­schafts­dok­trin des Kapi­ta­lis­mus, die sich gerne unter dem Deck­man­tel der freien Wirt­schaft ver­kauft, führt unwei­ger­lich zur Anhäu­fung des Wohl­stan­des bei eini­gen weni­gen und der zuneh­men­den Ver­ar­mung und Aus­beu­tung des Gross­teils der Bevöl­ke­rung und einem Zusam­men­bre­chen der natür­li­chen Systeme.

Es ist anzu­neh­men, dass sich diese Ent­wick­lung bei einem wei­te­ren Vor­an­schrei­ten der Digi­ta­li­sie­rung und Robo­ti­sie­rung noch wei­ter zuspit­zen wird.Auf Kosten der arbeit­neh­men­den Bevöl­ke­rung wer­den viele Stel­len ver­schwin­den und es ist blau­äu­gig zu glau­ben, dass in unse­rem heu­ti­gen System diese Stel­len durch neue Arbeits­plätze ersetzt wer­den. Sze­na­rien, wel­che wir bis­her nur aus dys­to­pi­schen Büchern oder Fil­men ken­nen, wer­den immer wahr­schein­li­cher. Schrei­tet diese Ent­wick­lung wei­ter voran, wird der Gross­teil der Men­schen unter pre­kä­ren Umstän­den in einer zer­stör­ten Welt leben, wäh­rend­dem sich eine Par­al­lel­ge­sell­schaft von Super­rei­chen abspal­tet. Um ein wei­te­res Vor­an­schrei­ten in eine sol­che Zukunft zu ver­hin­dern, müs­sen wir als Gesell­schaft nun schnellst­mög­lich han­deln.

Ein wich­ti­ger Schritt wäre, eine Gegen­be­we­gung zur neo­li­be­ra­len Pri­va­ti­sie­rungs­welle zu star­ten. So gehört einer­seits die Grund­ver­sor­gung in die Hände des Staa­tes -es kann nicht sein, dass sich bei­spiels­weise unsere Was­ser-, Ener­gie- und Gesund­heits­ver­sor­gung in pri­va­ten Hän­den befin­den. Zudem soll der Staat viel mehr in die For­schung und Ent­wick­lung neuer Tech­no­lo­gien inve­stie­ren, diese dann aber in staat­li­chen For­schungs­in­sti­tu­ten und Unter­neh­men behal­ten.

Es ist essen­ti­ell, dass wir als Bevöl­ke­rung diese Tech­no­lo­gien in den eige­nen Hän­den haben, die Gewinne und Errun­gen­schaf­ten aus die­sen auch der Bevöl­ke­rung zugu­te­kom­men und dass diese Betriebe nicht an den Akti­en­märk­ten mit­spie­len. Denn der Staat ist kein Fremd­kör­per, der über uns ent­schei­det – der Staat sind wir als ver­einte Bevöl­ke­rung.

Mir ist bewusst, dass ich hier keine voll­um­fäng­li­che Anlei­tung für den System­wan­del lie­fere. Dies muss ich als Ein­zel­per­son auch nicht. Es muss uns aber klar sein, dass unser heu­ti­ges neo­li­be­ra­les Wirt­schafts­sy­stem, auch als Kapi­ta­lis­mus bekannt, uns im Eil­tempo auf den Abgrund zusteu­ert. Es ist höch­ste Zeit, dass wir gemein­sam das Ruder her­um­reis­sen und ein System auf­bauen, wel­ches nicht mehr auf einem desa­strö­sem Wachs­tum beruht und in dem die Gewinn­ma­xi­mie­rung über dem Wohl von Mensch und Umwelt steht.

Den Wald heute an das Klima von morgen anpassen

Spä­te­stens seit dem Dür­re­som­mer 2018 ist klar, dass unsere heu­ti­gen Wäl­der nicht für den aktu­el­len und bevor­ste­hen­den Kli­ma­wan­del gewapp­net sind. Schon mit der aktu­el­len Erhö­hung von rund 2.0 °C in der Schweiz kom­men regio­nal gewisse Baum­ar­ten an ihre Gren­zen. Sie wer­den anfäl­lig gegen­über Extrem­ereig­nis­sen, die durch das sich ändernde Klima häu­fi­ger wer­den. Damit dies nicht zu einem gross­flä­chi­gen Abster­ben der Bäume in unse­ren Wäl­dern führt, muss schnellst­mög­lich gehan­delt und schon heute die Baum­ar­ten­zu­sam­men­set­zung an das wesent­lich wär­mere und trocke­nere Klima ange­passt werden.

Kahl­schlags­flä­che in der Bas­ler Lange Erlen. Die ehe­ma­lige Fich­ten­mo­no­kul­tur ist dem Dür­re­som­mer 2018 zum Opfer gefal­len © Phil­ipp Schuler

Kli­ma­wan­del der Region Basel
In Basel stieg die jähr­li­che Durch­schnitts­tem­pe­ra­tur inner­halb eines Jahr­hun­derts von 9.6 °C um 1.6 °C auf 11.2 °C an (Durch­schnitt 1900-1919 bzw. 2000-2019, Mess­sta­tion Basel-Bin­nin­gen 1IDA­web, Daten­por­tal für Lehre und For­schung: https://gate.meteoswiss.ch/idaweb/more.do?language=de). Somit ist Basel in die­ser Zeit vom tem­pe­rier­ten zum sub­me­di­ter­ra­nen Klima gewech­selt.

Der Dür­re­som­mer von 2018 hat schweiz­weit schon unter den heu­ti­gen kli­ma­ti­schen Bedin­gun­gen tau­sende Bäume zum Abster­ben gebracht – sei es direkt durch Ver­trock­nen oder vor allem indi­rekt durch Lang­zeit­schä­den wie Infek­tio­nen durch Krank­heits­er­re­ger oder Para­si­ten, wel­che bei den stark geschwäch­ten Bäu­men leich­tes Spiel hat­ten.

In den kom­men­den 30 Jah­ren wird die hie­sige jähr­li­che Durch­schnitts­tem­pe­ra­tur vor­aus­sicht­lich auf rund 13 °C anstei­gen und somit wie Locarno vom sub­me­di­ter­ra­nen ins medi­ter­rane Klima wech­seln. Dies jedoch mit weni­ger als der Hälfte des jähr­li­chen Nie­der­schlags, was den Wald in der Region Basel noch anfäl­li­ger auf das geän­derte Klima macht. Wenn wir die glo­ba­len Treib­haus­gas­emis­sio­nen nicht umge­hend stark redu­zie­ren, wird bis zum Ende die­ses Jahr­hun­derts die hie­sige Jah­res­durch­schnitts­tem­pe­ra­tur um wei­tere 1 bis 3 °C auf 14 bis 16 °C stei­gen.

Bäume kön­nen mit dem Kli­ma­wan­del nicht mit­hal­ten
Keine der bis­her regio­nal vor­kom­men­den Baum­ar­ten wird die­sen Kli­ma­ver­än­de­run­gen gewach­sen sein2Wei­tere Infor­ma­tion zum Thema z.B. in die­sem Arti­kel: Kli­ma­wan­del – zu schnell für jeden Baum https://www.waldwissen.net/wald/klima/wandel_co2/lwf_klimawandel_schnell/index_DE. Die Frage ist nur, wie schnell und wie weit wir den Tem­pe­ra­tur­be­reich ver­las­sen wer­den, den unsere heu­ti­gen Baum­ar­ten ver­kraf­ten können. 

Kur­zes Video über den Zustand des Wal­des in der Region Basel © by Michael Waser 

«Wenn wir jetzt nicht han­deln und unsere Wäl­der fit für den Kli­ma­wan­del machen, wer­den wir rela­tiv bald vor einem Desa­ster stehen.»

Prak­tisch alle heute in Europa natür­lich vor­kom­men­den Pflan­zen- und Tier­ar­ten haben die letz­ten eis­zeit­li­chen Käl­te­pe­ri­oden in einem mehr oder weni­ger schma­len Strei­fen rund um das Mit­tel­meer über­dau­ert3Refu­gien in Europa wäh­rend der Eis­zeit https://science.sciencemag.org/content/300/5625/1563 – mit Aus­nahme der an Kälte ange­pass­ten Arten, die wir heute noch in der Tun­dra, Taiga und dem Hoch­ge­birge fin­den4Refu­gien wäh­rend der letz­ten Eis­zeit – Unter­schiede zwi­schen borea­len und tem­pe­ra­ten Arten https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1365-2745.2008.01422.x.

Von der Geschichte der Euro­päi­schen Wäl­der ler­nen
Bio­geo­gra­phisch und öko­lo­gisch bil­de­ten die euro­päi­schen Arten also über lange Zeit mehr oder weni­ger eine Ein­heit und über­schnei­den sich in den Über­gangs­zo­nen vom tem­pe­rier­ten zum medi­ter­ra­nen Klima noch heute. Es ist anzu­neh­men, dass viele unse­rer hei­mi­schen Tier­ar­ten auch heute noch eine poten­ti­elle Anpas­sung an Arten auf­wei­sen, wel­che heute gar nicht mehr mit ihnen im glei­chen Gebiet vor­kom­men.

Als Bei­spiel hier­für ist bei­spiels­weise die Ess­ka­sta­nie (Marroni/Casta­nea sativa) zu nen­nen. Sie über­dau­erte eben­falls am Mit­tel­meer in min­de­stens zwei Refu­gi­al­ge­bie­ten in der Region von Grie­chen­land und der Tür­kei im Osten und in der Region von Ita­lien und Spa­nien im Westen5Micro­sa­tel­lite mar­kers reveal a strong geo­gra­phi­cal struc­ture in Euro­pean popu­la­ti­ons of Casta­nea sativa (Fagaceae): Evi­dence for mul­ti­ple gla­cial refu­gia https://bsapubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.3732/ajb.1200194. Erst durch die Römer wurde sie wie­der nörd­lich der Alpen im gerin­gen Umfang ver­brei­tet. Trotz der (von einem mensch­li­chen Blick­win­kel betrach­tet) lan­gen Tren­nung der Ver­brei­tungs­ge­biete konnte nach­ge­wie­sen wer­den, dass Ess­ka­sta­nien in Deutsch­land eine mit den hei­mi­schen Eichen ver­gleich­bare Bio­di­ver­si­tät an Käfer- und Pilz­ar­ten beher­ber­gen6Unter­su­chun­gen zum Bei­trag der Edel­ka­sta­nie zur Bio­di­ver­si­tät https://cms.waldwissen.net/wald/naturschutz/arten/fva_edelkastanie_biotop/index_DE/edit/originalartikel.pdf.

Bio­geo­gra­phisch ähneln sich noch heute die Wald­ge­mein­schaf­ten in Europa, dem nahen Osten und im Iran in vie­len Aspek­ten, so sind auch unsere hei­mi­schen Eichen­ar­ten in die­sen Regio­nen zu fin­den 7Ver­brei­tung von Quer­cus robur und Quer­cus petraea https://www.researchgate.net/profile/Giovanni_Caudullo/publication/299471357_Quercus_robur_and_Quercus_petraea_in_Europe_distribution_habitat_usage_and_threats/links/570b71aa08ae8883a1fe1b7a.pdf oder https://www.sid.ir/en/journal/ViewPaper.aspx?id=488039. Rund um das Mit­tel­meer gibt es unzäh­lige Baum­ar­ten, wel­che uns in Mit­tel­eu­ropa nur wenig oder gar nicht bekannt sind8z.B. alleine bei den Eichen unter ande­rem Quer­cus fagi­nea, Q. itha­bu­ren­sis, Q. castan­ei­fo­lia, Q. libani, Q. macro­l­epis, Q. tro­jana, Q. look, Q. pyre­naica, die medi­ter­ra­nen Tan­nen­ar­ten Abies pins­apo, A. numi­dica, A. nebro­den­sis etc. und viele mehr. Viele die­ser Arten haben heute oft nur noch ein rela­tiv klei­nes Ver­brei­tungs­ge­biet und sind teil­weise selbst vom Aus­ster­ben bedroht. Jedoch haben viele von ihnen das Poten­tial, den not­wen­di­gen Wald­um­bau so zu gestal­ten, dass er sowohl öko­lo­gisch als auch forst­wirt­schaft­lich Erfolg­reich durch­zu­füh­ren wäre. 

Eichen aus dem Mit­tel­meer­raum sind sehr resi­stent gegen Hitze und Trocken­heit und bie­ten unzäh­li­gen hei­mi­schen Tier­ar­ten Nah­rung und Lebens­raum © Phil­ipp Schuler

Alte Feh­ler wer­den Wie­der­holt
Lei­der wer­den jedoch in der Forst­wirt­schaft auch heute oft die glei­chen Feh­ler began­gen, wie sie schon im letz­ten Jahr­hun­dert gemacht wur­den. Zur Anpas­sung an den Kli­ma­wan­del wer­den Bäume wie die nord­ame­ri­kan­sche Dou­gla­sie ver­wen­det. Ihre forst­wirt­schaft­li­che Eig­nung im Zusam­men­hang mit dem Kli­ma­wan­del ist jedoch frag­wür­dig, vor allem die in Europa ver­wen­de­ten Her­kunft, wel­che an rela­tiv feuch­tes Gebirgs­klima ange­passt ist9Cli­mate Response of Dou­glas Fir Reve­als Recently Increa­sed Sen­si­ti­vity to Drought Stress in Cen­tral Europe https://www.mdpi.com/1999-4907/10/2/97 Native-source cli­mate deter­mi­nes the Dou­glas-fir poten­tial of adap­t­ation to drought https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0378112718323715. Zudem beher­bergt diese Art ten­den­zi­ell eine weni­ger hohe Bio­di­ver­si­tät bzw. vor allem bei Arten, wel­che keine gros­sen Ansprü­che an ihren Lebens­raum haben10Aus­wir­kun­gen der Dou­gla­sie auf die Wald­bio­di­ver­si­tät https://www.waldwissen.net/wald/naturschutz/wsl_douglasie_waldbiodiversitaet/index_DE.

Auch sonst in der Forst­wirt­schaft oft auf Arten mit nord­ame­ri­ka­ni­scher Her­kunft gesetzt11z.B. hier https://www.waldwissen.net/waldwirtschaft/waldbau/umbau/bfw_fichtenersatz/index_DE, wel­che sich bei genauer Betrach­tung weder für ein wär­me­res und trocke­ne­res Klima eig­nen, öko­lo­gisch frag­wür­dig sind und sich höch­stens als Bei­mi­schung in einen Wald­be­stand eignen. 

Durch den Kli­ma­wan­del hat sich unsere Umwelt schon stark geän­dert. In Basel herrscht jetzt sub­me­di­ter­ra­nes Klima und es wird sich in Zukunft noch viel stär­ker erwär­men.

Es wäre mir auch lie­ber, wenn wir jetzt noch 200 Jahre Zeit hät­ten, die öko­lo­gi­schen Aus­wir­kun­gen der ver­schie­de­nen Baum­ar­ten des Mit­tel­meer­rau­mes und des nahen Ostens im Wald­bau genau zu stu­die­ren. Lei­der haben wir auf­grund der aku­ten Situa­tion nicht die benö­tigte Zeit die dazu nötig wäre. Auf­grund diver­ser bio­geo­gra­phi­scher und öko­lo­gi­scher Erkennt­nisse kön­nen wir aber mit einer sehr gros­sen Sicher­heit sagen: mit Baum­ar­ten aus dem Mit­tel­meer­raum ist es mög­lich, wel­che eine hohe öko­lo­gi­sche Viel­falt mit einem forst­wirt­schaft­li­che Mehr­wert zu verbinden. 

Wir haben jetzt schon keine Zeit mehr – han­deln wir jetzt!

Stark degra­dierte Land­schaft am Bei­spiel des öst­li­chen Mit­tel­meer­raums. Über­nut­zung, Ero­sion und Trocken­heit ver­un­mög­li­chen eine Rege­ne­ra­tion der natür­li­chen Öko­sy­steme © Phil­ipp Schuler

Und der Umbau unse­rer Wäl­der muss sehr bald begin­nen. Wenn wir jetzt nicht han­deln und unsere Wäl­der fit für den Kli­ma­wan­del machen, wer­den wir rela­tiv bald vor einem Desa­ster ste­hen. Im besten Fall bezieht sich dies nur auf die schon heute rela­tiv war­men Tief­la­gen oder Karst­re­gio­nen wie dem Jura­bo­gen. Wenn wir den welt­wei­ten Aus­stoss an Treib­haus­ga­sen nicht bald in den Griff bekom­men, wer­den davon jedoch vor­aus­sicht­lich ein Gross­teil der Schweiz akut betrof­fen sein.