System Change not Climate Breakdown

Warum wir einen grund­le­gen­den Wan­del in unse­rem Wirt­schafts­sy­stem drin­gend brauchen

Das heu­tige Wirt­schafts­sy­stem ist ein auf end­lo­sem Wachs­tum und stei­gen­dem Res­sour­cen­ver­schleiss basie­ren­des Kon­strukt. In der Natur kom­men sol­che Systeme nor­ma­ler­weise nicht vor und wenn sie vor­kom­men, meist nur sehr kurz­fri­stig, wenn der Mensch ein System zum Bei­spiel durch einen über­mäs­si­gen Nähr­stoff­ein­trag stark ver­än­dert hat.

Als ein gutes Bei­spiel dafür kann man eine Bak­te­ri­en­kul­tur her­an­zie­hen. Hat man eine Mischung ver­schie­de­ner Arten mit unter­schied­li­chen Eigen­schaf­ten in einem Kul­tur­ge­fäss und stellt ihnen aus­ge­gli­chene Bedin­gun­gen zur Ver­fü­gung, kann diese Kul­tur lange über­le­ben. Erhöht man jedoch das Wachs­tum einer Art zum Bei­spiel durch die Zugabe von Zucker erheb­lich, ver­braucht diese alle Nähr­stoffe des Systems innert kür­ze­ster Zeit, es wer­den hohe Kon­zen­tra­tio­nen an gif­ti­gen Abfall­pro­duk­ten gebil­det und das System kol­la­biert. Ähn­lich ver­hält es sich bei sich stark aus­brei­ten­den Krank­hei­ten, die ihre Wirte töten – nach einer expo­nen­ti­el­len Aus­brei­tung bricht ab einem gewis­sen Punkt die Epi­de­mie zusam­men, da keine Wirte mehr vor­han­den sind.

Mir ist bewusst, dass dies sehr dra­sti­sche Ver­glei­che sind. Jedoch ist es auf­grund der Dring­lich­keit der heu­ti­gen Situa­tion unum­gäng­lich, denn genau so ver­hält sich das heu­tige Wirt­schafts­sy­stem auf der Welt. Schon heute taut der Per­ma­frost, wie es eigent­lich erst auf das Ende die­ses Jahr­hun­derts vor­aus­ge­sagt wurde. Rie­sige Wald­flä­chen bren­nen, sei es nun in der Ark­tis oder in den tro­pi­schen Regen­wäl­dern Afri­kas und Süd­ame­ri­kas.

In Europa ster­ben Mil­lio­nen Bäume auf­grund der Trocken­heit, die Bestände von Insek­ten und Vögeln befin­den sich in einem dra­ma­ti­schen Sink­flug. Heute sind 105’000 Arten auf der Roten Liste der IUCN, alleine 2019 kamen 7000 Arten neu dazu. In den kom­men­den Jahr­zehn­ten wird diese Liste wohl auf rund eine Mil­lion Arten anwach­sen, wenn wir nicht sofort etwas dage­gen tun.

Das grund­le­gende Pro­blem unse­res heu­ti­gen Wirt­schafts­sy­stems ist klar: Es basiert auf einem unend­li­chen Wachs­tum, bei dem Res­sour­cen plan­mäs­sig ver­schwen­det wer­den, eine Über­pro­duk­tion ein­kal­ku­liert ist und sich der Wohl­stand in den Hän­den eini­ger weni­ger anhäuft, wäh­rend­des­sen der Gross­teil der Bevöl­ke­rung schlecht dasteht und teil­weise um ein halb­wegs men­schen­wür­di­ges Leben kämp­fen muss.

Wie wider­wär­tig die­ses System ist, kön­nen wir gut am Bei­spiel der Rüstungs­in­du­strie sehen. Nur damit sich diese Kon­zerne wei­ter berei­chern kön­nen, expor­tie­ren sie aus der Schweiz Kriegs­ma­te­rial in die ganze Welt. Kriegs­ma­te­rial ist bekannt­lich nicht dazu da, Men­schen­le­ben zu schüt­zen und die Gesell­schaft wei­ter zu brin­gen – Kriegs­ma­te­rial tötet. Dies sollte allen klar sein und nie­mand sollte dies mit dem eige­nen Gewis­sen ver­ein­ba­ren kön­nen, aber unter der Dok­trin des Wirt­schafts­wachs­tums wird in Kauf genom­men, dass Men­schen abge­schlach­tet wer­den.

Dass wir gemein­sam die­ses System von Grund auf ändern müs­sen, liegt auf der Hand. Wir müs­sen schnellst­mög­lich davon abkom­men, dass wir in einer auf Wachs­tum und Aus­beu­tung basie­ren­den Gesell­schaft leben. Dafür müs­sen wir einer­seits den Han­del von Aktien, Roh­stof­fen und Nah­rungs­mit­teln in seine Schran­ken wei­sen oder unter Umstän­den gleich ganz ver­bie­ten. Denn der Akti­en­kurs ist heut­zu­tage an das ste­tige Wachs­tum einer Firma gekop­pelt und eine Firma ver­liert gleich an Wert, wenn diese auch nur weni­ger wächst als pro­gno­sti­ziert.

Die Wirt­schaft wird des­we­gen durch kurz­sich­tige Restruk­tu­rie­rungs- und Aus­la­ge­rungs­stra­te­gien geprägt, durch die es immer häu­fi­ger zu Mas­sen­kün­di­gun­gen und der Ver­la­ge­rung von festen hin zu tem­po­rä­ren Arbeits­stel­len kommt. Dies alles nur, damit Grossaktionär*innen hohe Divi­den­den­aus­schüt­tun­gen und das Manage­ment exor­bi­tante Boni ein­kas­sie­ren kön­nen.

Der Gross­teil der Bevöl­ke­rung lei­det dar­un­ter und die gna­den­lose Aus­beu­tung der natür­li­chen Res­sour­cen schrei­tet im Eil­tempo voran. Zeit­gleich wer­den an den Bör­sen Grund­nah­rungs­mit­tel gehan­delt, wodurch deren Preise der­art stei­gen, dass sich viele Men­schen auf der Welt diese nicht mehr lei­sten kön­nen und akut an Unter­ernäh­rung lei­den. Diese neo­li­be­rale Wirt­schafts­dok­trin des Kapi­ta­lis­mus, die sich gerne unter dem Deck­man­tel der freien Wirt­schaft ver­kauft, führt unwei­ger­lich zur Anhäu­fung des Wohl­stan­des bei eini­gen weni­gen und der zuneh­men­den Ver­ar­mung und Aus­beu­tung des Gross­teils der Bevöl­ke­rung und einem Zusam­men­bre­chen der natür­li­chen Systeme.

Es ist anzu­neh­men, dass sich diese Ent­wick­lung bei einem wei­te­ren Vor­an­schrei­ten der Digi­ta­li­sie­rung und Robo­ti­sie­rung noch wei­ter zuspit­zen wird.Auf Kosten der arbeit­neh­men­den Bevöl­ke­rung wer­den viele Stel­len ver­schwin­den und es ist blau­äu­gig zu glau­ben, dass in unse­rem heu­ti­gen System diese Stel­len durch neue Arbeits­plätze ersetzt wer­den. Sze­na­rien, wel­che wir bis­her nur aus dys­to­pi­schen Büchern oder Fil­men ken­nen, wer­den immer wahr­schein­li­cher. Schrei­tet diese Ent­wick­lung wei­ter voran, wird der Gross­teil der Men­schen unter pre­kä­ren Umstän­den in einer zer­stör­ten Welt leben, wäh­rend­dem sich eine Par­al­lel­ge­sell­schaft von Super­rei­chen abspal­tet. Um ein wei­te­res Vor­an­schrei­ten in eine sol­che Zukunft zu ver­hin­dern, müs­sen wir als Gesell­schaft nun schnellst­mög­lich han­deln.

Ein wich­ti­ger Schritt wäre, eine Gegen­be­we­gung zur neo­li­be­ra­len Pri­va­ti­sie­rungs­welle zu star­ten. So gehört einer­seits die Grund­ver­sor­gung in die Hände des Staa­tes -es kann nicht sein, dass sich bei­spiels­weise unsere Was­ser-, Ener­gie- und Gesund­heits­ver­sor­gung in pri­va­ten Hän­den befin­den. Zudem soll der Staat viel mehr in die For­schung und Ent­wick­lung neuer Tech­no­lo­gien inve­stie­ren, diese dann aber in staat­li­chen For­schungs­in­sti­tu­ten und Unter­neh­men behal­ten.

Es ist essen­ti­ell, dass wir als Bevöl­ke­rung diese Tech­no­lo­gien in den eige­nen Hän­den haben, die Gewinne und Errun­gen­schaf­ten aus die­sen auch der Bevöl­ke­rung zugu­te­kom­men und dass diese Betriebe nicht an den Akti­en­märk­ten mit­spie­len. Denn der Staat ist kein Fremd­kör­per, der über uns ent­schei­det – der Staat sind wir als ver­einte Bevöl­ke­rung.

Mir ist bewusst, dass ich hier keine voll­um­fäng­li­che Anlei­tung für den System­wan­del lie­fere. Dies muss ich als Ein­zel­per­son auch nicht. Es muss uns aber klar sein, dass unser heu­ti­ges neo­li­be­ra­les Wirt­schafts­sy­stem, auch als Kapi­ta­lis­mus bekannt, uns im Eil­tempo auf den Abgrund zusteu­ert. Es ist höch­ste Zeit, dass wir gemein­sam das Ruder her­um­reis­sen und ein System auf­bauen, wel­ches nicht mehr auf einem desa­strö­sem Wachs­tum beruht und in dem die Gewinn­ma­xi­mie­rung über dem Wohl von Mensch und Umwelt steht.

Unser Bildungssystem muss neu gedacht werden

Für ein durch­läs­si­ges Bil­dungs­sy­stem wäh­rend des gan­zen Berufslebens

Was frü­her nor­mal war wird immer unüb­li­cher und durch die bevor­ste­hen­den Ände­run­gen im Arbeits­markt durch die Digi­ta­li­sie­rung für viele unmög­lich: Dass jemand bis zur Rente im zuerst erlern­ten Beruf bleibt. Doch für viele Arbeit­neh­mende ste­hen im zwei­ten Bil­dungs­weg nahezu unüber­wind­bare Hür­den im Weg, wel­che wir drin­gend besei­ti­gen müssen.

Nach mei­ner Lehre als Bio­lo­gie­la­bo­rant holte ich wäh­rend 3.5 Jah­ren an der Matu­ri­täts­schule für Berufs­tä­tige mei­nen Maturab­schluss nach. Wäh­rend die­ser Zeit hatte ich neben mei­nem 100% Arbeits­pen­sum jeden Abend bis 21 oder 22 Uhr Unter­richt. Danach brauchte ich erst ein­mal 2 Jahre Pause von der Wei­ter­bil­dung und genoss meine Fei­er­abende. 2013 fing ich mit mei­nem Stu­dium der Bio­geo­gra­phie und Umwelt­geo­wis­sen­schaf­ten an, wofür ich mein Arbeits­pen­sum auf 80% redu­zierte. 2017 hatte ich mei­nen Bache­lor, seit Januar 2019 mei­nen Master­ab­schluss und seit die­sem Mai dok­to­riere ich in Pflan­zen­phy­sio­lo­gie und Biogeochemie.

Dass ich wäh­rend mei­ner gesam­ten neun jäh­ri­gen Wei­ter­bil­dung min­de­stens 80% als Bio­lo­gie­la­bo­rant gear­bei­tet habe spricht jedoch nicht für, son­dern gegen unser heu­ti­ges Bil­dungs­sy­stem. Ich konnte dies nur machen, weil ich meine Arbeits­zei­ten extrem fle­xi­bel ein­tei­len und um das Stu­dium herum bauen konnte. Dies hatte zur Folge, dass ich öfters zwi­schen 7 Uhr am Mor­gen und 22 Uhr am Abend zwi­schen Arbeit und Stu­dium hin und her wech­selte. Dadurch war im Dau­er­stress, gereizt, fühlte mich vor allem gegen Ende der Seme­ster öfters depres­siv, hatte zu vie­len Freun­den und Freun­din­nen den Kon­takt ver­lo­ren und für meine Bezie­hung war dies auch alles andere als eine för­der­li­che Situa­tion. Da ich keine Fami­lie habe, war dies alles zwar irgend­wie zu über­ste­hen, über kurz oder lang war diese Situa­tion jedoch weder für die phy­si­sche noch für die psy­chi­sche Gesund­heit gut. Men­schen mit einer Fami­lie, einer ange­schla­ge­nen Gesund­heit oder ab einem gewis­sen Alter kön­nen so eine Wei­ter­bil­dung noch viel weni­ger durchstehen.

Schon heute fin­den viele Men­schen über Jahre hin­weg keine Arbeit, weil ihre erlern­ten Berufe weg­ra­tio­na­li­siert wur­den. Oder jemand ent­wickelt über die Jahre eine All­er­gie, son­stige gesund­heit­li­che Pro­bleme oder will sich aus ande­ren per­sön­li­chen Grün­den umori­en­tie­ren. Dies ist aus den geschil­der­ten Grün­den für viele jedoch ein Ding der Unmög­lich­keit und sie rut­schen in die IV oder in die Sozi­al­hilfe ab. Mit der uns bevor­ste­hen­den Digi­ta­li­sie­rung und Robo­ti­sie­rung wer­den in den näch­sten 10 bis 20 Jah­ren viele Stel­len in den klas­si­schen Berufs­grup­pen ver­schwin­den, auch sol­che, die bis vor kur­zem als sicher galten.

Ein wich­ti­ger Teil der Lösung wäre, dass wir alle wäh­rend unse­rem gesam­ten Berufs­le­ben die Mög­lich­keit erhal­ten, Umschu­lun­gen und Wei­ter­bil­dun­gen pro­blem­los machen zu kön­nen. Dafür müsste erst ein­mal das Sti­pen­di­en­we­sen ange­passt wer­den. Heute müsste man erst Arbeits­los wer­den, damit der Antrag auf Sti­pen­dien Erfolg haben kann – dies dau­ert aber einige Zeit und unter Umstän­den wird der Antrag abge­lehnt, so dass man vor dem Nichts steht. Was für Ein­zel­per­so­nen mit einer guten Erst­aus­bil­dung noch irgend­wie zu bewerk­stel­li­gen wäre, wäre für Fami­lien oder Men­schen aus schwie­ri­gen Berufs­fel­dern ein Fiasko. Um die Gefahr vor dem Abrut­schen in die Armuts­falle zu besei­ti­gen, müss­ten spe­zi­elle Sti­pen­dien für den zwei­ten Bil­dungs­weg geschaf­fen wer­den. Für diese soll man sich im Vor­aus bewer­ben kön­nen und die Zusage erhal­ten, bevor man die Stelle kün­digt. Auch Arbeits­lose müs­sen von die­sen Sti­pen­dien pro­fi­tie­ren kön­nen, denn eine sol­che Wei­ter­bil­dung wäre für diese ein enorm wich­ti­ger Schritt zurück ins Berufsleben.

Die Finan­zie­rung dafür kann ein­fach gesi­chert wer­den. Kurz- bis mit­tel­fri­stig müs­sen die Steu­ern für Super­rei­che und Gross­un­ter­neh­men nach den letz­ten bei­den Unter­neh­mens­steu­er­re­for­men ange­passt wer­den – eine gute Mög­lich­keit dafür ist die 99%-Initiative der JUSO Schweiz, wel­che wohl bald zur Abstim­mung kommt. Zudem müs­sen neue Steu­er­mo­delle geschaf­fen wer­den, wel­che bei­spiels­weise Fir­men besteu­ert, die ihre Ange­stell­ten durch Robo­ter erset­zen. Auch durch Finanz­trans­ak­ti­ons- und Ver­mö­gens­steu­ern könn­ten wir genü­gend Geld ein­neh­men, damit wir allen Men­schen ein gutes und wür­de­vol­les Leben ermög­li­chen kön­nen. Geld ist im Über­fluss vor­han­den – das momen­tane Pro­blem ist nur, dass es sich in den Hän­den eini­ger weni­ger ansam­melt und der Ansatz des trickle-down erwie­se­ner­mas­sen nicht funk­tio­niert. Jedoch müs­sen wir uns auch im Kla­ren sein, dass das heu­tige Wirt­schafts­sy­stem von Grund auf nicht noch lange funk­tio­nie­ren wird. Wir müs­sen gemein­sam neue Modelle ent­wickeln, bei denen die Wirt­schaft nicht auf der Aus­beu­tung von Mensch und Umwelt beruht, son­dern zum Wohle der Bevöl­ke­rung da ist und auf ein gemein­sa­mes Wei­ter­kom­men von uns allen aus­ge­legt ist.